Tierversuch in New York Kammerjäger wollen Rattenplage mit Verhütungsmitteln dämpfen

AP/tcar

19.4.2024 - 21:58

Eine Ratte flitzt durch die Strassen von New York – wie Millionen weitere Kolleg*innen.
Eine Ratte flitzt durch die Strassen von New York – wie Millionen weitere Kolleg*innen.
Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa

Wäre New York auf der Suche nach einem Wappentier, dann wäre die Ratte ein guter Kandidat: Zu Millionen bevölkern die Tiere die Metropole. Bald soll ihnen nicht mehr ganz so brutal nach dem Leben getrachtet werden.

AP/tcar

19.4.2024 - 21:58

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In New York sind Ratten schon seit langem eine Plage.
  • Bisher wurden sie von Kammerjägern mit grösster Brutalität gejagt.
  • Abgeordnete der Stadt plädieren jetzt für Empfängnisverhütung und ein Verbot von Klebefallen als Alternativen zu einem brutalen und langsamen Tod.

New York ist für sein Nagerproblem berüchtigt. Ratten und andere Nagetiere gedeihen prächtig in der Weltstadt. Im Kampf gegen die Plage könnten bald neue Wege beschritten werden. Sie wären eine Abkehr von der Brutalität, mit der Kammerjäger bislang den ungeliebten Mitbewohnern zu Leibe rücken. Abgeordnete schlagen neuerdings auf Stadt- und Staatsebene Regeln vor, um die Nagerpopulationen auf humane Weise einzudämmen. Sie schielen etwa auf Empfängnisverhütung und ein Verbot von Klebefallen als Alternativen zu einem brutalen und langsamen Tod.

Die Idee, in New York City Verhütungsmittel für Ratten zu verteilen, erhielt am Donnerstag frische Aufmerksamkeit in der Stadtverwaltung. Grosse Anteilnahme hatte jüngst das Schicksal der aus einem Zoo entwischten Eule «Flaco» ausgelöst, die tot mit Spuren von Rattengift in ihrem Organismus gefunden wurde.

Das Stadtratsmitglied Shaun Abreu schlug eine städtische Verordnung vor, die ein Pilotprogramm für die Kontrolle der Millionen von Ratten vorsieht, die in U-Bahn-Stationen und auf ungenutzten Grundstücken herumlungern. Statt giftiger Chemikalien soll auf Geburtenkontrolle gesetzt werden. Abreu, Vorsitzender des Ausschusses für Abwasserentsorgung und Abfallwirtschaft, sagte, die Verhütungsmittel seien ethischer und humaner als andere Methoden.

Hunde auf Ratten abgerichtet

Ein solches Mittel ist etwa der Flüssigköder ContraPest, der in rattenverseuchten Gebieten ausgebracht werden kann. Es zielt auf die Eierstockfunktion der weiblichen Ratten und die Spermienproduktion der Männchen ab, wie die «New York Times» berichtete.

Derzeit machen Kammerjäger den New Yorker Ratten mit Schnapp- und Klebefallen den Garaus. Sie vergiften sie mit Ködern, die innere Blutungen auslösen. Oder sie vergasen sie mit Kohlenmonoxid, das in die unterirdischen Bauten der Tiere geleitet wird. Einige Hobby-Jäger haben sogar ihre Hunde darauf abgerichtet, die Nager zu fangen.

Rashad Edwards, ein Film- und Fernsehschauspieler, der mit seiner Frau eine Schädlingsbekämpfungsfirma in New York betreibt, sagt, die beste Methode sei Kohlenmonoxid. Er versuche, die humanste Methode anzuwenden. Kohlenmonoxid tötet die Ratten langsam, es lässt sie einschlafen und sterben. Edwards vermeidet die Nutzung von Rattengift, weil es gefährlich sei und die Tiere einer Folter aussetze.

In Albany, der Hauptstadt des US-Staats New York, erwägen einige Abgeordnete ein staatsweites Verbot von Klebefallen. Üblicherweise bestehen diese aus mit einem klebrigen Material beschichteten Papp- oder Kunststoffplatten, die auch anderen kleinen Tieren zum Verhängnis werden können.

Verbot von Klebefallen

Edwards ist gegen ein Verbot der Klebefallen, weil er sie bei anderen Tieren, etwa Ameisen, einsetzt, um dafür weniger Pestizide nutzen zu können. Wenn Ameisen in Häuser eindringen, nutzt er sie etwa, um herauszufinden, auf welchen Routen die Tiere unterwegs sind. Damit lässt sich die «Kampfzone» für Pestizide besser definieren, «damit man nicht den gesamten Ort einsprühen muss».

Aus dem Nagerproblem könne man sich nicht «heraustöten», sagt Jakob Shaw, Projektmanager bei der Tierschutzorganisation Peta. «Es ist an der Zeit, diese vernünftigeren und humaneren Methoden zu übernehmen.»

Zwei Städte in Kalifornien haben in den vergangenen Jahren Klebefallen verboten. Auf Bundesebene könnte ein Gesetzentwurf, über den derzeit noch auf Ausschussebene beraten wird, ein solches Verbot bald auch US-weit Realität werden lassen.

Ernennung der «Ratten-Zarin»

«Es beendet eine wirklich inhumane Praxis des Managements von Rattenpopulationen», sagt Jabari Brisport, New Yorker Senator auf Staatsebene, der Teile von Brooklyn vertritt und den Gesetzentwurf unterstützt hat, der in seinem US-Staat bald neue Regeln schaffen könnte. «Es gibt effektivere und menschlichere Arten, mit Ratten umzugehen.»

Bislang hat noch jede Generation von New Yorkern darum gerungen, der Rattenpopulationen Herr zu werden. Im vergangenen Jahr ernannte Bürgermeister Eric Adams die frühere Lehrerin Kathleen Corradi zur «Ratten-Zarin» und schuf für sie das neue Amt der «Direktorin für Nagetier-Minderung».

Anfang März läutete die Stadt die nächste Phase im Kampf gegen das ein, was Adams einst als «24-Stunden-Rattenbüffet» bezeichnete – und verpflichtete alle 200'000 Unternehmen im «Big Apple», ihre sich bislang auf Gehwegen auftürmenden Abfallsäcke in Mülltonnen zu verpacken, wie es andernorts in den USA und der Welt schon lange praktiziert wird.

Ein Ende des Feldzugs gegen die Ratten ist zwar nicht in Sicht, aber Schädlingsbekämpfer Edwards sagt, man könne eine Menge von der Widerstandsfähigkeit der Tiere lernen. Ausrotten könne man sie nie, höchstens managen. «Sie sind sehr klug und sie sind sehr weise», sagt er. «Das ist sehr inspirierend – nur nicht in meinem Haus.»

AP/tcar